Es lebe die Freiheit!

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Genau gestern vor 80 Jahren, am 22. Februar 1943, wurden die Namensgebenden unserer Schule, die Geschwister Hans und Sophie Scholl, vom NS-Regime umgebracht. Ihnen zu Ehren haben wir, die Jugendlichen unserer Schule, im Rahmen einer Gedenkveranstaltung ihre Geschichte erzählt und ihren mutigen Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit gewürdigt …

Wir empfingen hohen Besuch: Die Landrätin, Antje Hochwind-Schneider, der Bürgermeister, Steffen Grimm, Vertreter von K-UTEC u.a. wurden in den einführenden Worten von Herrn Woythe vorgestellt.

Einführende Worte durch Herrn Woythe

Sie alle sowie noch mehr und vertretende Jugendliche der einzelnen Klassen der Schule nahmen an der Gedenkveranstaltung zu Ehren der Geschwister Scholl teil, die nicht nur hohe Wellen schlug, sondern ebenso durch die gesamte Schule live gestreamt wurde, damit auch die verbliebenen Jugendlichen dem Programm in den Klassenräumen beiwohnen konnten.

Leonard auf der Klarinette

Unser Programm bestand aus einer Rede, die unsere Schülersprecherin Kinza und ich eingangs halten durften (unten für Interessierte nachlesbar). Auf diese folgten Vorstellungen einzelner kreativer Projekte einiger Klassen, musikalische Untermalungen von Leonard Ose (11) und Jonas Boltze (9) sowie abwechselnde Kurzbiografien der Mitglieder der “Weißen Rose” durch den Elfer-Grundkurs Geschichte, bevor jede Klasse jeweils eine symbolische weiße Rose am Mahnmal der Geschwister im Erdgeschoss ablegte.

Ron und Kinza
Jonas am Klavier

Die Feier verlief in stillem Gedenken, doch natürlich dürfen wir nicht aufhören, für die Ideale der Weißen Rose laut zu werden und zu kämpfen. Hieran erinnerten nach der Veranstaltung auch noch einmal ein Vertreter der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit gemeinsam mit Klaus Stauffenberg, ein Nachkomme des Claus Schenk Graf von Stauffenberg, in einer gesonderten Ansprache an die 10. bis 12. Klassen. Der Enkel des berühmten Attentäters auf Hitler erzählte dabei die Geschichte seines Großvaters, wie diese ihn persönlich prägte und erklärte, im Diskurs mit den Jugendlichen, welche Bedeutung Demokratie, Freiheit und Gleichheit für uns haben und dass wir diese zerbrechlichen Werte schützen müssen. Danach hatte ich die Ehre, ihm zum Dank noch einen Blumenstrauß zu übergeben.

Wir bedanken uns als Schulgemeinschaft bei allen Lehrkräften, die diese Veranstaltung organisiert, allen Jugendlichen, die tolle Beiträge zu ihr geliefert und allen Persönlichkeiten, die an ihr teilgenommen und uns dabei unterstützt haben!

Ron Schlegel


(Gedenkrede)

„Lasst mich Euch eine kurze Geschichte erzählen: Es ist eine Geschichte von zwei Geschwistern und ihren Freunden, die einst gut integriert in einem Staat lebten, dessen Strukturen bei allen mit der Zeit doch immer mehr Fragen aufwarfen, bis sie sich dazu entschlossen, sich gegen ihn zu stellen. Meine Erzählung ist allerdings genauso kurz wie die Leben der Mitglieder dieser Gruppe, die sich selbst “Die Weiße Rose” nannte. Weiß wie die Unschuld, die Rose als Symbol der Liebe und des Zusammenhalts. So ist die Geschichte ihres Widerstands, ihrer Erfolge und ihrer Bedeutung bis in unsere heutige moderne Zeit viel länger. Und so endete das vierte Flugblatt der Gruppe mit den Worten: “Wir schweigen nicht, wir sind euer böses Gewissen; die Weiße Rose lässt euch keine Ruhe!”.

… bis heute nicht. Die Bedeutung der “Geschwister Scholl”, ihrer Ziele und Ideale wirkt bis heute nach. Nicht umsonst haben wir uns heute versammelt – denn neben vielen anderen Schulen, Einrichtungen und Stiftungen tragen und vertreten auch wir ihren Namen. Die Namen von Hans und Sophie Scholl, die am 22. Februar 1943 keines natürlichen Todes starben. Sie wurden umgebracht – ermordet von einem System. Mundtot gemacht von der Diktatur, gegen die zu kämpfen sie ihre jungen Leben verschrieben hatten.

Ihnen und allen anderen Widerstandskämpfern der Weißen Rose zu Ehren wollen wir mit dem heutigen Anlass an ihre Bedeutung erinnern. Müssen es sogar: Denn nie wird es seine Wichtigkeit verlieren, über die Ideale der Gerechtigkeit, des Mutes und der Freiheit zu sprechen. Und darüber, dass diese Freiheit und all unsere Rechte keine Selbstverständlichkeiten sind. Wir gehen heute auf die Straßen, um für unsere Prinzipien zu demonstrieren. Wir sprechen offen über Kritik und Verbesserungsansätze der Politik und wissen um viele Missstände und Probleme des Staates, über die wir uns unsere eigene Meinung bilden. Denn nur so kann ein demokratischer Staat funktionieren; nur durch einen solchen bürgerlichen Diskurs haben wir die Chance zur gemeinschaftlichen Optimierung und Weiterentwicklung. Doch das war nicht immer so.

Die Geschichte Deutschlands ist keine Erfolgsgeschichte der Demokratie und der Gerechtigkeit. Sie ist eine Geschichte der Unterdrückung, der Gewissenlosigkeit, der Entmündigung. Es brauchte den jahrelangen Mut und die Opferbereitschaft einzelner, um unser Land dorthin zu führen, wo es jetzt ist: heraus aus Kriegen, Besetzung und Diktaturen und hinein in Souveränität und Demokratie. Es brauchte die Courage und den Widerstand von Gruppen wie der Weißen Rose, von Menschen wie den Geschwistern Scholl, die den Deutschen den Weg dorthin wiesen und ebneten. Die ihnen die Augen vor Missständen öffneten, ihnen bewusst machten, welche Kraft in Freundschaft und Zusammenhalt steckt und was sie bewirken kann – was wir alle zusammen bewirken können!

Sogar nach 80 Jahren sind ihre Worte und Taten noch für uns alle von großer Bedeutung, da wir Dank all den jungen Studierenden, die für Freiheit und Demokratie mit ihrem Leben eingestanden und auch bezahlt haben, diese auch heute genießen dürfen. Uneingeschränkt und frei dürfen wir Gedanken laut aussprechen, Ideen umsetzen und einen eignen Namen tragen. Niemand von uns ist jemals wieder dazu verpflichtet, eine Ziffer im System zu sein, die wir nicht sein wollen.

Selbstverständlich ist das jedoch alles nicht, das beweisen uns unzählige Länder dieser Welt täglich, stündlich, in jedem Moment. Während wir universelle Freiheit ausleben dürfen, sind andere dazu gezwungen, sich diese mühsam mit allen verfügbaren Mitteln zu erkämpfen, um in einem Land überleben zu können, welches durch Diktatur und Unterdrückung bestimmt ist. Niemals wieder dürfen wir Zustände zulassen, wie es sie noch heute in Nordkorea oder Russland gibt, in denen die Menschen durch die Regerung unterdrückt und durch ihre Propaganda entmündigt werden. Niemals wieder sollen wir es nötig haben, um unsere Menschen- und Bürgerrechte zu kämpfen. Niemals wieder dürfen wir Unterdrückung und Diskriminierung tolerieren, wie es die Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus taten. Der Kampf um Lebens- und Meinungsfreiheit wird dabei nie vorbei sein: Vor allem jetzt, in einer Zeit der Krisen, des Kriegs in Europa und der Spaltung in rechts und links dürfen wir im Kampf um Demokratie und Liberalismus nicht nachgeben.

In einem Zeitalter der Digitalisierung, zwischen herrschender Ungerechtigkeit und mangelnder Akzeptanz, verlieren wir das Hier und Jetzt aus den Augen. Wir vergessen, dass der Kampf um Gerechtigkeit, den die Geschwister Scholl geführt haben, nie vorbei sein wird und wir ihn fortsetzen müssen.

Diese Verantwortung liegt in den Händen aller jungen Menschen, die bereit sind für sich selbst und die Freiheit einzustehen. In den Händen von uns.

Wir kriegen den Film über Sophie Scholl und die weiße Rose nicht immer wieder gezeigt, um die Zeit des Geschichtsunterrichts zu füllen, sondern um uns die Werte zu vermitteln, für die unsere Schule stehen: Die Werte der Freiheit und des Humanismus, der Gerechtigkeit und der Demokratie. An dieser Schule, einem Gymnasium in einem freien, demokratischen Land, sollen wir zu mündigen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen werden. Zu Bürgerinnen und Bürgern, die Strukturen auch infrage stellen dürfen. Die sie infrage stellen sollen, ihre eigene Meinung bilden und mit ihr umgehen lernen müssen.

Die Namen der Geschwister Scholl haben für uns und unsere Schule eine ganz besondere Bedeutung. Sie erzählen vom Mut zur freien Meinungsäußerung und zum Widerstand gegen Unterdrückung, vom stolzen Kampf gegen das Unrecht und die Gewalt und für die Gerechtigkeit, von der Verantwortung und Pflicht zum gemeinsamen Einstehen für Gleichheit und Menschenwürde und nicht zuletzt von der Bedeutung der freiheitlichen Strukturen der Demokratie, die Hans und Sophie Scholl leider nie erleben konnten.

Die Geschichte des Widerstandes der weißen Rose ist ein Beweis dafür, dass durch Zusammenhalt alles möglich ist und jeder Mensch eines Tages Welten verändern kann. Denn genau das haben auch die Geschwister-Scholl getan: Köpfe revolutioniert, Augen geöffnet und Münder zum Sprechen gebracht. Sie gaben den Schwachen Kraft und den Schweigenden eine Stimme.

Wir können den Namen unserer Schule mit Stolz tragen, denn vor 80 Jahren haben die Geschwister-Scholl das erreicht, was andere für unmöglich hielten. Hans und Sophie haben den Hoffnungslosen ein Licht entzündet, als sie glaubten, es sei für alle Zeit erloschen. Sie setzten ein Zeichen der Freiheit für ihre Nachkommen, für jeden, der keine Kraft hat, sich zu wehren.

Dank ihnen dürfen wir von uns behaupten, in einem demokratischen Land zu leben und unsere Wünsche äußern zu können. Wir müssen uns nicht mehr vor Unterdrückung verstecken, sondern dürfen unseren Willen komplett ausleben – müssen es sogar, um unsere Gesellschaft weiterhin liberal und freiheitlich zu gestalten und zu prägen.

„Es lebe die Freiheit!“

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