Am 23. Mai 2025 wurde in Erfurt der Thüringer Demokratiepreis zum elften Mal zur Würdigung all jener Einzelpersonen und Gruppen, die sich für Demokratie, Menschenrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, verliehen. Wir als Schule hatten uns mit unserem umfangreichen Projekt „Haltung zeigen!“ auch für diese Auszeichnung beworben und wurden zu unserer Freude zur Preisverleihung eingeladen.
Die Zeremonie fand in einem alten Gebäude der mittelalterlichen Universität Erfurt statt, das heute von der evangelischen Kirche genutzt wird. Das sogenannte Collegium Maius bot für rund 100 Gäste einen geeigneten Rahmen und eine dreiköpfige Jazz-Band sorgte für eine angenehme musische Untermalung. Die Spannung stieg.



Die Auszeichnungsveranstaltung begann mit einer Rede der Thüringer Sozialministerin Katharina Schenk, die authentisch und eindrücklich die Wichtigkeit des Engagements aller Anwesenden unterstrich. Beispielhaft nahm sie Bezug auf die mitunter undemokratischen Verhältnisse in den USA, da am selben Tag US-Präsident Donald Trump der Harvard-Universität die Aufnahme ausländischer Studenten untersagte.


Im Anschluss wurden die ersten Anerkennungspreise verliehen, die mit einem Preisgeld von 500 Euro verbunden waren. Die anfängliche Hoffnung nach unserem Erfolg beim Landeswettbewerb „Demokratie und Schule“, auch hier ausgezeichnet zu werden, verflog jedoch schnell, nachdem die erste Prämierung mit einem hochwertig produzierten Kurzvideo vorgestellt wurde. Bei und gab es im Vorfeld keine Aufnahmen, also würden wir diesmal keine spezielle Würdigung erfahren. Aber gewinnen ist nicht alles!
Denn es war schon allein ein Erlebnis zu sehen, wie vielfältig das Engagement in Thüringen für eine offene und vielfältige Gesellschaft ist:
Bei den Anerkennungspreisen wurde die E1-Jugend-Fußballmannschaft der Spielgemeinschaft Camburg/Steudnitz/Frauenprießnitz für Fairness und Teilhabe im Sport ausgezeichnet, die vor jedem Spiel in demokratischer Abstimmung einen neuen Kapitän oder eine neue Kapitänin wählt und mit Eckfahnen im Regenbogendesign ihre Toleranz unterstreicht. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht so beeindruckend anmutet, zeigt es doch, wie auch schon die Kleinsten mit demokratischen Werten in Berührung kommen können.
Daneben wurde eine gymnasiale Schülergruppe aus Bad Salzungen für die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen ausgezeichnet. Sie produzierten einen hochwertigen ca. 90-minütigen Film mit dem Titel „Was bleibt für immer?“ in Bezug auf den Holocaust. Dazu hat sie im Rahmen von Schüleraustauschprogrammen und Projektfahrten Orte der Vernichtung jüdischen Lebens besucht und ist mit Zeitzeugen, aber auch Jugendlichen ins Gespräch über diese in ihrer Menschenverachtung einmaligen Ereignisse der Shoa gekommen. Sinn und Zweck des Films ist es, nachfolgende Schülergenerationen besser über den Holocaust zu informieren, getreu dem Motto Erinnern braucht Wissen.
Einen weiteren Anerkennungspreis bekam das „Queere Zentrum Erfurt“ und der „Verein QueerWeg e.V.“ verliehen. Diese bieten Menschen, die sich nicht der heteronormativen Mehrheit zugehörig fühlen, mit einigen haupt-, aber vor allem vielen ehrenamtlichen Helfern einen Rückzugsort, einen Schutzraum, eine Gemeinschaft. Dort kann man sich informieren oder Rat und Hilfe suchen. Das betrifft mitunter banale Dinge, wie eine Kleiderkammer für Trans-Personen oder eine queere Bibliothek, weil diese LGBTIQ+-Themen in öffentlichen Büchereien unterrepräsentiert sind. Das „Queere Zentrum Erfurt“ leistet so einen wichtigen Beitrag für Vielfalt und Gleichberechtigung.
Den letzten Anerkennungspreis erhielt das Projekt „WORT – Weltoffene Region Thüringen“ für interkulturelle Öffnung und Fachkräftebindung verliehen. Im Kern geht es darum, in der Stadt Schmalkalden und dem umliegenden Kreis eine für alle Kulturen und Ethnien offene Modellregion zu schaffen. Federführend ist hierbei die Hochschule Schmalkalden, an der zurzeit über 1.000 internationale Studierende lernen. Angesichts der Erfolge der AfD, vor allem im ländlichen Raum, ist es enorm wichtig, internationale Fachkräfte zu gewinnen, zu binden und zu integrieren sowie allgemeine Ressentiments abzubauen bzw. zu verhindern.
Alle Anerkennungspreise wurden durch Prof. Dr. Wagner, dem Chef der Gedenkstätte Buchenwald, laudatiert, der eindrücklich jedes Engagement würdigte. Zugleich machte auch er bewusst, dass die Demokratie und alle mit ihr einhergehenden Rechte und Freiheiten keine Selbstverständlichkeiten seien und dass insbesondere Randgruppen in einer zunehmend rauer werdenden Gesellschaft, die durch den Diskurs der AfD noch angeheizt würde, in Form von Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und Homophobie bedroht seien. Umso wichtiger sei der Einsatz aller Anwesenden für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.


Im Anschluss wurden die Hauptpreise verliehen.
Den dritten Platz belegte Reiner Köhler für seinen unermüdlichen Einsatz für aus der Ukraine geflüchtete Familien in seiner Nachbarschaft. Herr Köhler hilft ihnen vor allem bei der Bewältigung täglicher Sprachbarrieren und begleitet die Familien zu Behördengängen, berät und dolmetscht. Besonders beeindruckend ist dies vor dem Hintergrund, dass er selbst sein Haus durch einen Großbrand verloren hatte, aber ungeachtet dessen für „seine“ Familien da war.
Mit dem zweiten Hauptpreis wurde das Bündnis „Auf die Plätze“, ein Zusammenschluss aus über 20 zivilgesellschaftlichen Akteuren, für ihr langwieriges Engagement ausgezeichnet. Das Bündnis zeigt sich für alle größeren Demonstrationen gegen Rechts verantwortlich, beantragt Genehmigungen, plant Anreise und Ablauf und bringt so tausende Menschen auf die Straße, um ein starkes gesellschaftliches Signal zu senden. Die Geehrten machten aber auch deutlich, dass das Engagement für Demokratie, Weltoffenheit und Vielfalt aus ihrer Sicht nicht weit genug geht und übten Kritik an der aktuellen Thüringer Landesregierung. Was einige der anwesenden Gäste eventuell unangebracht fanden, war aber auch ein Beleg für die Funktionsweise einer Demokratie, in der es möglich ist, offen und deutlich Kritik zu äußern, ohne staatliche Repressionen oder Zensur erwarten zu müssen.
Den mit 3.000 Euro dotierten Hauptpreis erhielt Julina Burgold aus Stadtroda. Die Schulsprecherin des dortigen Gymnasiums hat sich für die geflüchteten ukrainischen Schüler eingesetzt, Unterrichtsmaterialien besorgt und Initiativen für einen schnellen Sprachenerwerb und eine rasche Integration gestartet. Darüber hinaus setzt sie sich in ihrem Heimatdorf, indem die Zustimmungswerte der AfD auch enorm sind, für liberale Werte und gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck ein. Sie plante und organisierte eine entsprechende Demonstration und machte Werbung dafür auf der Bühne der Kulturarena Jena vor tausenden Gästen. Am Ende kamen anstatt der 20 eingeplanten Demonstranten über 300 Personen, die ihre Kampagne unterstützten. Ich kann mir vorstellen, einige von euch werden sagen: „Was nur 300 Beteiligte?“, aber das stelle man sich bitte mal in Oberspier oder Kleinfurra vor …


















Für alle die bis hier gelesen haben, stellt sich die Frage, was bleibt von einer Preisverleihung ohne Preis?
Ich bin überzeugt, dass es unser Projektbeitrag auch verdient hätte, prämiert zu werden. Aber bitte bedenkt auch, dass wir für „Haltung zeigen!“ bereits eine große Würdigung im Rahmen des „Landeswettbewerbes Demokratie und Schule“ erhalten haben. Wie schwer muss es auch der Jury gefallen sein, zwischen diesen tollen Menschen und Gruppen und ihren Initiativen eine Wertung vorzunehmen. Jeder der knapp 50 eingereichten Beiträge hätte es verdient, ausgezeichnet zu werden.
In diesem Sinne war es beeindruckend zu sehen, wozu Einzelpersonen, Teams, Vereine oder Gemeinschaften in der Lage sind und wie viele Menschen sich für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz einsetzen, auch ohne jede Würdigung und mitunter gegen erhebliche Widerstände. Julina – die 10. Klässlerin, die den Hauptpreis gewann – machte dies in ihrer Dankesrede deutlich. Sinngemäß sagte sie, dass sie der Preis zwar freue, aber dass sie auch ohne jede Auszeichnung nichts von ihrem Engagement einbüßen würde!
Das sollte beispielgebend für uns als Schule sein. Es geht nicht um das Gewinnen, es geht um das Mit- und Weitermachen für Demokratie, Pluralismus und Toleranz. Lasst uns weiter den Transformationsprozess von einer „einfachen“ Schulgemeinschaft zu einer starken Wertegemeinschaft vollziehen, lasst uns mutig sein, lasst uns mündig sein, lasst uns sichtbar sein – lasst uns weiter HALTUNG ZEIGEN!
Martin Brauer
© Titelbild und Fotos: Leon Glatzel