Wie beginnst Du Deinen Morgen?
Ich gebe mir immer viel Mühe, möglichst zeitnah nach dem Weckerklingeln aufzustehen. Nach einer kurzen Runde Yoga setzt dann schon direkt eine Art Robotik ein, die die Box auf meinem Bücherregal einschaltet und den Deutschlandfunk im Online-Stream abspielt. Wenig überraschend vielleicht – in meinem Fall – für einen Radioredakteur. Dann doch ungewöhnlich: In den letzten Wochen schalte ich das Radio meistens schon nach den ersten paar Minuten wieder ab. Mein Morgen beginnt um kurz vor 8: Nachrichten.
Was ist eigentlich gerade los mit unserer Welt?
Montag, 04.11.2024: „Kiew: Nordkoreanische Truppe unter Beschuss“ – Ntv.
Dienstag, 05.11.2024: „US-Wahl 2024: Trump wird wieder Präsident“ – ZDF.
Mittwoch, 06.11.2024: „Das war’s: Die Ampel ist am Ende“ – BR.
Donnerstag, 07.11.2024: „Gescheiterte Sondierungen in Sachsen“ – MDR.
Freitag, 08.11.2024: „Antisemitische Attacken in Amsterdam“ – SZ.
Ich erspare uns das Wochenende. Ich weiß nicht, wie es Dir damit geht, aber ich war ziemlich überfordert. Am Montag bin ich nur geschockt, am Mittwoch traue ich mich kaum noch, das Radio einzuschalten und am Freitag fühlt sich Kaffee-Aufbrühen plötzlich schrecklich sinnlos an. Manche Dinge verstehen wir vielleicht noch gar nicht richtig, und Vieles geht auch einfach unter, weil man ja trotzdem immer noch im Alltag funktionieren muss – trotzdem werden viele von uns nahezu dauerhaft begleitet von dem Gefühl, dass die Welt aus ihren Fugen gerät. Klima, Kriege, Ampel-Aus. Global, international, im eigenen Land – überall scheint es zu brennen. Und der Weltuntergang so nah wie noch nie.
Doch ist das wirklich so? Ich meine nicht das Brennen, ich meine den Weltuntergang. Ist es wirklich schlimmer als es jemals war? Kriege wie in der Ukraine toben im Osten schon ununterbrochen seit Jahren, doch die Nachrichten berichten nur selten. Für Deutschland haben die nur wenig Nachrichtenwert. Stabile Regierungen sind in Europa nicht die Regel, sondern Deutschland war bereits seit Jahrzehnten die Ausnahme. Andere Staaten wie Schweden werden auch traditionell von Minderheitsregierungen regiert, trotzdem sind wegen des Ampel-Bruchs mit der FDP jetzt alle Medien im Krisenmodus. Diskriminierung und Antisemitismus sind keine neuen Erscheinungen, sondern ein erstarkendes Problem, das jede Person jeden Tag ein bisschen lösen könnte – trotzdem wird Amsterdam jetzt von denselben Social-Media-Kanälen verurteilt, die monatelang antisemitische Kommentare unter ihren Israel-Palästina-Infoposts konsequent ignoriert haben. Vielleicht lautet die Antwort auf meine Frage danach, was denn gerade los ist mit der Welt, schlicht: Eigentlich nicht so viel mehr als sonst.
Es ist völlig normal, dass uns schlechte Nachrichten belasten. Die Welt fühlt sich manchmal einfach danach an, als würde sie in den nächsten Minuten untergehen. Wichtiger Gedanke dabei: Das wird sie nicht. Es wird immer weitergehen. Und genau so, wie es immer schlechte Nachrichten geben wird, wird es auch immer noch Gute geben:
Montag, 04.11.2024: „Mini-Sensor misst Sauerstoffgehalt bei Frühchen“
Dienstag, 05.11.2024: „Großbritannien auf dem Weg zur ‚rauchfreien Generation‘ “
Mittwoch, 06.11.2024: „Erste trans*-Person im US-Kongress“
Donnerstag, 07.11.2024: „Amazonas-Abholzung auf Tiefststand“
Freitag, 08.11.2024: „Lungenkrebs anhand der Atemluft erkennen – StartUp macht es möglich“
Vielleicht ist die mediale „Krisenstimmung“ also nur eine Sache der Perspektive, und unser Trauma dadurch ein Resultat verkehrter Selbstreflexion. Natürlich muss man zu verurteilende Dinge verurteilen und darf nicht wegsehen, wenn Unrecht geschieht. Aber vor allem wir, unsere Generation, der oft die Last des vermeintlich drohenden Weltunterganges auf die Schultern aufgeladen wird; wir können nicht alles beeinflussen. Wir können keine Kriege beenden und nicht die Gesellschaft retten. Aber wir können und dürfen uns ab und zu daran erinnern, wie viel Schönes unsere Welt zu bieten hat: Mit Pistazien-Kaffee entschuldigt sich der Alltag für den ganzen Stress, aus dem sechsten Stock meiner Innenstadtwohnung sehen die winterlichen Sonnenaufgänge einfach absolut fantastisch aus und Weihnachten steht vor der Tür!
Gehe nicht im Krisenmodus durch die Welt. Informiere Dich, engagiere Dich, aber reflektiere auch, wie es Dir damit geht. Die Welt mit ihrer Gesellschaft und Politik ist chaotisch und steht nie still – finde in ihr Deine Balance – auch das heißt „Haltung zeigen!“.
Mika Schlegel