„Haltung zeigen!“ – Wenn ein GOAT der Geschichte erzählt …

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Für alle älteren Leser fangen wir vielleicht erstmal damit an, was ein GOAT ist. Heute steht der Begriff gemeinhin nicht für seine klassische Übersetzung „Ziege“, sondern für den „Greatest Of All Time“ und wird häufig im Sport im Zusammenhang mit Lionel Messi, Christiano Ronaldo oder LeBron James verwendet.

Der GOAT der deutschen Nachkriegsgeschichtsschreibung ist Prof. Dr. Wolfgang Benz. Der 1941 in Ellwangen geborene Historiker der Zeitgeschichte ist einer der Experten für die Erforschung des Nationalsozialismus und des Antisemitismus. Er lehrte über viele Jahre an der Technischen Universität Berlin und leitete das Zentrum für Antisemitismusforschung. 

Seit 2010 ist Wolfang Benz im akademischen Ruhestand, aber immer noch hochproduktiv im Verfassen von Büchern. Sein neuestes Werk „Zukunft der Erinnerung. Das Deutsche Erbe und die kommende Generation“ stellte er am 22. Oktober in Erinnerungsort Topf und Söhne in Erfurt vor.

Der 84-Jährige las überraschenderweise keine Auszüge aus dem Buch vor, sondern hielt einen interessanten halbstündigen Vortrag über die Entwicklung der deutschen Erinnerungskultur nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Eloquent und teils humorvoll, gespickt mit persönlichen Anekdoten, berichtete er über die vergangenen 70 Jahre, für die er zu großen Teilen als Zeitzeuge gelten kann.

Wichtig für mich waren aber insbesondere seine ernsten, mahnende Momente, die zum Nachdenken anregten. So betonte er die Funktionsweise von Hitlers Einsetzung als Reichskanzler im Januar 1933, der nicht durch demokratische Wahlen legitimiert, sondern durch die Initiative von konservativen Politikern, allen voran durch Franz von Papen, ins Amt gehoben wurde, in der Hoffnung, Hitler zu kontrollieren und für eigene Interessen auszunutzen. Benz betonte, wie fatal dieses Vorhaben scheiterte und mahnte Fehler der Geschichte nicht zu wiederholen, angesichts mancher Forderungen, die AFD in politische Verantwortung zu lassen – in der Hoffnung, dass sie sich dort selbst entzaubere. Dies habe schon 1933 bei der NSDAP katastrophale Auswirkungen gehabt. 

Er kritisierte auch Friedrich Merz für seine kurz zuvor getätigten undifferenzierten Aussagen, die Probleme im Stadtbild mit Abschiebungen und Migrationsfragen in Zusammenhang brachten. Für Benz ein Unding, der in diesen undifferenzierten Äußerungen eine gefährliche Übernahme rechter Perspektiven sah, die nur der AfD helfen würden. Er mahnte, dass die wichtigste Lektion in der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit der Schutz von Minderheiten sei, aller Minderheiten. Sie dürften nicht stigmatisiert und instrumentalisiert werden.

Sichtlich bewegt berichtete der Historiker davon, dass er viele Jahrzehnte lang geglaubt und auch immer wieder in persönlichen Gesprächen, aber auch in Interviews mit ausländischen Medien betont hätte, dass wir Deutschen die richtigen Rückschlüsse aus der Geschichte gezogen hätten und nicht mehr empfänglich wären für antidemokratische Tendenzen. Leider sei bei ihm jene unerschütterliche Haltung in den letzten Jahren zunehmend ins Schwanken geraten. Wenn ein GOAT der Geschichte das sagt, sollte uns das Sorgen bereiten! 

In einer anschließenden Diskussionsrunde, geführt von Frau Dr. Annegret Schüle, der Leiterin des Erinnerungsortes Topf und Söhne, kam Wolfgang Benz mit Ronald Hirte, Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald, und Marc Bouttens, wissenschaftlicher Volontär am Erinnerungsort, ins Gespräch und sie bezogen auch die ca. 60 Zuhörer, darunter Erfurter Schüler, ein. Schnell kristallisierte sich die Frage heraus, was man angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklungen tun könnte. Insbesondere die jüngeren Zuhörer trieb diese Problematik um. 

Die einfache Antwort von Wolfgang Benz war: „Haltung zeigen!“ Man könne nein sagen oder betonen, dass man gewisse Dinge nicht so sehe. Das würde schon helfen. Zudem betonte Benz, dass die junge Generation nicht für die gegenwärtigen Probleme verantwortlich sei, aber natürlich Teil der Lösung sein müsse. Sie könne und müsse zum Beispiel durch Wahlen zukünftig politischen Einfluss nehmen und so die Demokratie stärken und extreme Parteien verhindern. 

Für uns als Schulgemeinschaft muss das bedeuten, dass unser eingeschlagener Weg, durch zahlreiche Projekte „Haltung zu zeigen“, richtig ist, dass wir aber zugleich in unseren Bemühungen nicht nachlassen dürfen und uns auf diese Weise für eine pluralistische, offene und demokratische Gesellschaft einsetzen.!

Lasst uns weiter machen! Hören wir auf einen GOAT der Geschichte!

M. Brauer

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